Die „Staande Mastroute“

Am Mittwoch, d. 24. Juli heißt es wieder: Leinen los! Um 6 Uhr morgens verlassen wir die Marina Sr. Katherine’s. Pünktlich zum Drehen der Tide machen wir an der Mooring in Queenborough fest, entspannen ein bißchen an Bord und segeln morgens weiter nach Ramsgate wo wir trotz „Ramsgate Week“ einen Platz in der Marina bekommen und sehr nett aufgenommen werden. Mit einem erfrischenden Bad im englischen Kanal am Strand von Ramsgate endet unsere Zeit auf der Insel.

Eindrücke aus Vlissingen

Nach dem Ablegen am kommenden Morgen landen wir mitten im Regattafeld. Toll zu sehen, aber nicht so einfach, niemanden zu behindern. Mit einer Wende geht’s raus aus dem Feld. Wir haben gesehen, wo die Wendemarke ist und können unseren Kurs entsprechend anpassen. Mit wechselnden Winden gelangen wir nach Dunkerque an den gleichen Steg wie in 2015. Nur leider ist das Wetter am kommenden Tag noch schlechter als damals, es regnet von morgens bis abends.

Auf geht’s: die Reise auf der Staande Mastroute beginnt für uns in Vlissingen
Drangvolle Enge in der Schleuse
Offene breitere Stellen an denen man auch mal segeln kann finden sich zwischen den Poldern im Süden der Niederlande

Von diesem letzten französischen Hafen segeln wir durch nach Vlissingen. Im Vorhafen warten wir an einem Pfahl auf Hochwasser. Ständig heizen die Lotsenboote vorbei. Einige sehr rücksichtsvoll, andere leider gar nicht. Es gibt jedoch keinen anderen Warteplatz. Um 20 Uhr können wir die schmale Durchfahrt passieren und bekommen einen hübschen Liegeplatz mitten in der Stadt, jedoch  in einem sehr engen Hafen. Bei schönem Wetter laufen wir durch die Stadt zu einem Laden der den holländischen „Wateralmanak“, eine Karte und ein Info-Heft über die „Staande Mastroute“ führt. Diese Strecke führt abseits vom Meer durch die vielen Kanäle der Niederlande bis Amsterdam ohne dass man den Mast legen muss, d.h. die diversen Brücken, auch Autobahn- und Eisenbahnbrücken, werden auf Anforderung (und oft nach längerem Warten) für die Schifffahrt geöffnet. Bis Amsterdam ist diese Strecke mit der Blue Sun knapp zu bewältigen. An einigen Stellen wird’s eng mit dem Tiefgang, an anderen reicht die Höhe gerade eben aus, wenn die Brücke angehoben wird. Los geht’s!

Eine Brücke hoch, eine auf und fix durch
Hier gibt’s auch Gegenverkehr
Direkt vor der Kirche macht hier die Berufsschifffahrt fest

Tag 1: nach sieben Brücken und Schleusen machen wir in der Marina Sint Annaland im Krabbencreek fest. Eine hübsche, abwechslungsreiche Fahrt die recht anstrengend ist. Schmale, flache Fahrwasser die ständige Aufmerksamkeit erfordern. Die Landschaft ist weit und offen, mit einem flachgehenden Boot eine schöne Feriengegend mit kurzen Schlägen und Ankerplätzen.

Dordrecht ist von Häfen durchzogen und eine wunderschöne kleine Stadt

Tag 2: das Passieren der Kramerschleuse durch die Kammer der Berufsschifffahrt (die einzige, die für unser Schiff möglich ist) klappt gut, die Brücke bei der Volkeraksluizen kann wegen Wind erst spät geöffnet werden. 3 ½ Stunden verbringen wir am Wartesteg mit einigen anderen Booten. Um 21 Uhr sind wir fest im WSV de Kil. Gemütlich und ruhig ist es hier obwohl direkt hinter der schmalen Straße, die die Marina von der Hauptwasserstraße trennt, ständig große Binnenschiffe vorbeirauschen.

Viel Berufsschifffahrt ist unterwegs nach Rotterdam

Tag 3: weiter nach Dordrecht. Um 11.35 Uhr ist die Eisenbahnbrücke passiert. Das Wetter ist mäßig, wir werden einmal platschnass, müssen viel funken und um das Öffnen von Brücken bitten und machen um 14.30 Uhr im sehr schönen Hafen von Dordrecht, dem Wijnhaven, fest. Es gibt hier einige andere Liegeplätze, die wir von Land aus angesehen haben, aber dieser Hafen gefiel uns besonders gut.

Im Konvoi fahren wir durch enge Wasserstraßen – immer schön dranbleiben, sonst ist die nächste Brücke zu
Die unterschiedlichsten Häuser säumen die „Straße“

Tag 4: wir sind unterwegs im Noord. Berufsschifffahrt gibt es kaum noch, die Wasserstraßen werden schmal und flacher. Am Ablasserdam müssen wir eine Weile warten, danach fahren wir mit diversen anderen Yachten im Konvoi. Vorteil: die vorfahrenden Holländer funken die Brücken an und alle flitzen durch. Nachteil: man muss dicht dran bleiben und zügig fahren um durchzukommen, das bedeutet Gefahr von Auffahrunfällen. Ein Boot bleibt ja nicht stehen, es treibt – und der Raum ist sehr begrenzt. Abends machen wir im Braassemermeer fest. 2,40 m Wassertiefe zeigt das Echolot. Wo ist die besagte Hand breit? Wir sitzen trotzdem nicht auf.

Tag 5: viel Grün, viel Schilf am Rande der Wasserstraße. In Aalsmeerderbrug müssen wir wegen der Masthöhe eine Erlaubnis für das Passieren von Schipol einholen. Kein Problem, wir dürfen weiter. Um 13.30 Uhr liegen wir dann am Wartesteg vor der Schinkelbrug. Ab 23 Uhr wird am Funk mitgeteilt, wann die Brücke für die letzte Etappe durch das nächtliche Amsterdam geöffnet wird. Langsam sammeln sich die Boote für diese Passage, die nur einmal, nämlich nachts, befahren werden kann. Und das auch nur sehr zügig im Konvoi. Kein Wunder, die stark frequentierte Autobahn nach Amsterdam und eine Eisenbahnbrücke zum Amsterdamer Bahnhof werden gesperrt. Vom Warteplatz aus kann man zur Schleuse, den vielen Wohnschiffen und dem Park spazieren. Pünktlich um 23.50 Uhr fahren wir los. Die Fahrt durch die beleuchtete Stadt ist herrlich, das Wetter gut geeignet. Kein störender Seitenwind beim Warten an den Brücken, einigermaßen warm.  Um 2 Uhr morgens liegen wir im Sixhaven im Päckchen. Ein Glas Wein auf die bewältigte Strecke und ab in die Koje!

Warten vor der letzten Brücke ….
……. mit diversen anderen vor der Nachtfahrt

Unser Fazit: die „Staande Mastroute“ ist wunderschön einmal zu sehen aber mit einer tiefgehenden Kielyacht mit hohem Mast eher anstrengend. Man kommt langsam voran, hat ständig andere Boote um sich herum, muss dauernd am Ruder stehen, oft funken und nach Marinas suchen, die tief genug sind. Segeln konnten wir wenig und wenn, nur mit Vorsegel. Kalle sagte: „Es ist weniger anstrengend einhand über die Biskaya zu segeln“ – und bei mir kam Sehnsucht nach der Weite des Atlantiks und der Karibik auf!   

Die Themse hinauf

Bei sonnigem Wetter fahren wir – leider mangels Wind unter Motor – die Küste entlang. Auch hier sind herrliche weiße Klippen und viele schöne Strände. Von der Themse-Mündung biegen wir ab in den Medway-River, vorbei an dem deutlich sichtbaren und gut betonnten Wrack der gesunkenen „Montgomery“.

In Queenborough ist starker Tidenhub

In Queenborough liegen wir an einer großen Mooring-Tonne von der man mit dem Taxi-Boot zur Pier gebracht wird. Der Ort ist klein und verträumt. Der Flußlauf fällt zur Hälfte trocken und ist eine Mischung aus Naturparadies und Industrie-Standort. Man hört nur die Vögel zwitschern aber in der Ferne sind viele Industrie-Anlagen, Schornsteine usw. zu sehen.

Ein super Blick von der Mooring auf unser Zuhause für die nächsten Tage
…. und ein toller Blick auf die Tower Bridge
– siehe auch Anzeigebild
Angekommen!

Von Queenborough aus starten wir mit auflaufendem Wasser Richtung London. Beim Zahlen der  Mooring-Tonne haben wir einen praktischen wasserfesten Plan der gesamten Themse mit vielen wichtigen Informationen bekommen der sehr übersichtlich gestaltet ist. Die Themse hat enorm viele Windungen und besonders starke Strömung in einigen Biegungen. Es gibt viel Industrie aber der Schiffsverkehr hält sich in Grenzen. Hinter der Themse Flut-Barriere, bei der man sich vor der Durchfahrt anmelden muss, nimmt der Verkehr jedoch deutlich zu und bald kommt die Skyline von London in Sicht. Eine tolle Mischung aus gläsernen Hochhäusern, alten Speichern die umgebaut wurden, Anlegestellen, historischen Gebäuden. Wenn die Tower-Bridge in Sicht ist, sollen wir die Marina anrufen. Sie ist direkt vor der Brücke. Es ist mühsam bei der Strömung an der Warte-Mooring festzumachen (sie hat keine Leine zum hochziehen) aber ein herrlicher Warteplatz, besser geht’s nicht! Der ideale Photo-Stop. Schade, dass die Sonne nicht scheint.

London Eye
Blick von der Millenium Bridge
St. Paul’s
Zum Thema Brexit ist man sich keineswegs einig

Der Liegeplatz ist ideal. Die U-Bahn Station Tower Hill in nächster Nähe, Tower-Brücke und Tower sind prima zu Fuß zu erreichen. Wir ziehen auch gleich los. Über die Brücke auf’s Süd-Ufer, zum Tower,  gucken wo die Busstation für die Stadtrundfahrt ist, Marina besichtigen (und Supermarkt suchen), Oyster-Card für die U-Bahn kaufen, zu Fuß zur St. Pauls Cathedral und über die Millenium-Brücke zur Modern Tate Galerie.

In Soho
Riesige Festmachertonnen auf der Themse
China-Town

Der Wachwechsel vor dem Buckingham-Palace versinkt im strömenden Regen und wir flüchten per Underground wieder auf’s Boot. Ein Lichtblick im Schietwetter ist der Markt mit Street-Food in der Marina wo es leckere Kleinigkeiten aus aller Herren Länder gibt. Der Himmel reißt wieder auf und wir nutzen die kommenden sehr heißen sonnigen Tage für weitere Ausflüge in dieser herrlich quirligen Metropole.

Morgens um 6 h in der Schleuse
Tschüss, London!

Bei unserer Abreise ist das Wetter erfreulicherweise wirklich sommerlich und phototauglich.